Allein der Glaube

Sola Fide
Thomas Powilleit
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Serie | 3 Teile

Die Soli der Reformation

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Entdecke „Sola Fide“ als Grundsäule der Reformation und Teil des Evangeliums.


Was ist Schuld

Spare dir deine Erklärungen! Ich will nur eins wissen. Warst du es – oder warst du es nicht? Ihr könnt euch die Situation sicher vorstellen, wie der kleine Max in das hochrote Gesicht des Ladenbesitzers schaut, der wütend vor seiner zerbrochenen Scheibe steht. Automatisch setzt bei Max der Rechtfertigungs-Reflex ein. Er hat auf der Kinderuni keine Seminare belegt, wie man sich am besten rechtfertigen kann – aber trotzdem kann er es. Max versucht zu erklären, warum er nicht schuld daran ist, dass der Stein die Scheibe kaputt gemacht hat. Da müsste man den fragen, der den Stein da hin gelegt hat oder vielleicht sollte der Ladenbesitzer sich auch mal selbst fragen, warum er nur eine so dünne Scheibe eingebaut hat.

Du kennst sicher ähnliche Situationen, in denen der Rechtfertigungs-Reflex bei dir automatisch anspringt. Als Menschen reden wir uns gerne raus und schieben die Schuld weiter. Damit machen wir deutlich: Ich bin im Recht und ich habe recht. Wenn wir anders verdrahtet sind, geben wir Schuld zu und versuchen sie wieder gut zu machen. Manchmal geht das, manchmal aber auch nicht.

Wenn ich, wie der Autofahrer letzte Woche im Kreis Ravensburg, den Radfahrer übersehe und ihn durch mein Rückwärtsfahren totfahre, kann ich das nicht wieder gut machen. Und dann – wie gehe ich damit um? Heute morgen geht es um eine noch viel größere Schuld. Es geht um meine Schuld, die ich bei Gott habe. Wie gehe ich damit um?

Jetzt sagst du vielleicht: Schuld? Ich bin mir nichts bewusst. Ich habe niemanden verletzt und immer meine Steuern bezahlt. Das ist ja auch gut - aber meine Schuld bei Gott kann ich nicht auf meine Moral reduzieren. Das ist ein folgenschwerer Denkfehler.

Der Herr Jesus nennt meine Einstellung Gott gegenüber Sünde. In Joh16,9 sagt Jesus:

Das ist die Sünde, das sie nicht an mich glauben.

Die wesentliche Sünde ist also: Ich vertraue Gott nicht, sondern mir selbst. Damit schließe ich Gott aus meinem Leben aus, aber gleichzeitig schließe ich mich so auch automatisch von einer Beziehung mit Gott aus. Für immer und ewig. Die Bibel sagt: Ich bin verloren für Gott, wie ich nur verloren sein kann. Gott ist drinnen im Himmel und ich stehe draußen vor der Tür und habe nicht den Hauch einer Chance, eine Beziehung zu Gott zu bekommen damit ich nach drinnen, in den Himmel komme.

Ich will nicht, dass Gott mir etwas sagt – mir in meinen Alltag hineinredet. Ich gebe Gott also nicht den Platz, der ihm gehört, sondern setze mich selbst auf den Chefsessel meines Lebens. Ich glaube nicht an Gott, sondern an mich selbst. Das ist die Sünde und ihre schreckliche Auswirkung ist: Ich bin getrennt von Gott. Für ewig. Was mache ich jetzt? Versuche ich meine Schuld abzuarbeiten? Ich kann diesen Lebensstil nicht ungeschehen machen, egal, wie ich mich anstrenge. Oder versuche ich, mich wie Max zu rechtfertigen und herauszureden?

Rechtfertigung - andersherum

Die gute Nachricht und die bahnbrechende Entdeckung in der Reformation ist: Ich muss mich gar nicht rechtfertigen, weil Gott mich rechtfertigen will. Ich muss meine Schuld nicht verstecken, weil Gott mir meine Schuld von meiner Schulter nehmen will.

Und das Bindeglied zwischen meiner Schuld und Gottes Rechtfertigung ist der Glaube. Das ist das Thema der heutigen Predigt. Sola fide – allein der Glaube.

Sehr prägnant beschreibt Paulus diese Tatsache in Rö4,21-25. Abraham hat also geglaubt: Gott kann tun, was er sagt. Und Gott hat gesagt: Abraham, du wirst, auch wenn du fast hundert bist, noch einen Sohn bekommen. Menschlich war das unmöglich. Auch weil Abrahams Frau, die Sara, schon ihren neunzigsten Geburtstag hinter sich hatte. (1Mo17,17) Doch der Stammvater Israels hielt sich nicht an den Unmöglichkeiten auf. Er war davon überzeugt: Gott hat alle Möglichkeiten. Deshalb hat Abraham mehr mit Gottes Möglichkeiten gerechnet, als mit den Schwierigkeiten, die sich ihm in den Weg stellen wollten.

Für dieses Vertrauen hat Gott Abraham doppelt belohnt. Einmal damit, dass er stolz seinen Capri-Kinderwagen von Bergsteiger durch die Gegend schieben konnte. Das war der offensichtliche Beweis: Es lohnt sich, gerade dann Gott zu vertrauen, wenn man nur noch Unmöglichkeiten sieht.

Aber die zweite Belohnung Gottes war noch viel weitreichender als die Geburt von Isaak. Paulus schreibt in Vers 21: Dieser Glaube ist Abraham als Gerechtigkeit zugerechnet worden. Auch Abraham war an Gott schuldig geworden. Der Mann war im alten Ur groß geworden – da drehte sich vieles um den Mondgott Nanna und natürlich drehte sich jeder um sich selbst. Auch Abraham. Dieses Schuldenkonto: - Ich habe mich selbst zum Herrscher in meinem Leben gemacht - wurde aber von Gott höchstpersönlich gelöscht. Dafür hat Abraham nichts gemacht – außer: Er hat darauf vertraut: Gott selbst wird das Wort „schuldig“ löschen und „gerecht“ dahin schreiben.

Das ist Rechtfertigung. Ich sage: Gott, du hast recht, dass du meine Schuld anklagst. Darin gebe ich dir recht, indem ich meine Sünde zugebe. Wenn ich das aus Überzeugung tue, passiert das Unglaubliche: Gott spricht mich gerecht, weil er mir die Gerechtigkeit von Jesus Christus zurechnet.

Gott konnte auch bei Abraham „gerecht“ schreiben, weil auch Abrahams Schuld später auf das Kreuz des Herrn Jesus abgeladen wurde. Das Kreuz Jesu Christi ist die größte Sünden-Müllhalde der Welt. An diesem Kreuz hat Jesus für die Sünde bezahlt. Dort hat der Sohn Gottes die Trennung von Gott durchlebt – auch für mich.

Um auf mein Eingangsbeispiel zurückzukommen. Der kleine Max kann die zerbrochene Scheibe nicht bezahlen. Aber wenn jemand anders vorbeikommt und sagt: Hier ist eine Gutschrift, ich zahle den Betrag – dann ist Max gerechtfertigt. Max muss nichts mehr zahlen, weil jemand anders für ihn zahlt. Dem Fremden, der die Gutschrift dem Max gibt, hat es viel gekostet, obwohl er den Schaden nicht verursacht hat und auch nicht verpflichtet ist, dafür aufzukommen. Darum geht es auch in unserem Text. Deshalb habe ich ihn mit dem Satz überschrieben:

Glaube an und lebe mit Gottes Gutschrift

Glaube an Gottes Gutschrift ist der erste Predigtteil, um den es jetzt geht. Der 23. Vers macht deutlich: Gottes Gerechtigkeitsgutschrift hat Abraham nicht als einziger bekommen. Nein, es wird jedem zugerechnet, der darauf vertraut, dass Gott auch mein „Schuldig“ auslöscht und sein „Gerecht“ dahin schreibt. Am Kreuz hört das Märchen vom guten Menschen auf. Hier wird deutlich: Meine rebellische Haltung gegen Gott ist so schrecklich, dass Jesus dafür sterben musste. Das bedeutet mein „schuldig“. Aber Gottes JA zu mir, die Liebe des Herrn Jesus zu mir, ist so groß, dass Jesus für meine Schuld sterben wollte. Das ist wirklich unfassbar.

Paulus zeigt in Vers 25: Jesus ist auferstanden von den Toten. Damit wird sichtbar: Jesus ist mächtiger als der Tod. Der Tod konnte ihn nicht festhalten. Damit stimmt aber auch, was Jesus selbst gesagt hat: Ich habe das Recht, ich habe die Vollmacht, Sünde zu vergeben. Ich nehme dieses große Vergebungsgeschenk Gottes in Anspruch, indem ich Jesus im Gebet meine Schuld bekenne und benenne und indem ich ihn bitte, in meinem Leben den Ton anzugeben, also mein Herr zu werden. Das kostet mich meinen Stolz. Es ist auch die Bekehrung von einem selbstbestimmten Leben zu einem Leben, dass sich von Gott bestimmen lässt. Dann öffnet Gott mir wieder die Tür uns lädt mich ein zu einer Beziehung mit ihm. Wenn Gott wieder den ersten Platz in meinem Leben hat, ist alles wieder im Lot.

Dann bin ich gerechtfertigt. Dieses Wort gebraucht Paulus in Vers 25. Gott hat mich also gerecht gesprochen, weil ich Gott zugetraut habe: Er kann mich gerecht sprechen. Dieser Glaube ist der einzige Grund, dass ich nicht in meiner Schuld untergehe, sondern im Recht bin. Gott sieht mich so an, als ob ich völlig unschuldig wäre. Glaube ist deshalb nichts anders als mein: Danke Gott, für das Geschenk der Vergebung. Glaube ist die ausgestreckte Hand, die Gottes Vergebungsgeschenk, also seine Gutschrift annimmt. Wir haben uns damit beschäftigt: Glaube an Gottes Gutschrift. Unser zweiter Punkt heißt:

Lebe mit Gottes Gutschrift

Die Rechtfertigungsgutschrift soll ja Auswirkungen in meinem Alltag haben. Ich habe drei Folgen meiner Rechtfertigung bei Gott ausgewählt. Ich nenne sie: Gottes Gutschrift gibt mir Gewissheit. Gottes Gutschrift entlastet mein Gewissen und Gottes Gutschrift macht mich wertvoll.

Gottes Gutschrift gibt mir Gewissheit.

Deshalb kann ich mich darauf freuen: Ich werde im Himmel ankommen. Weil Jesus auferstanden ist und ich zu ihm gehöre, werde auch ich auferstehen.

In Vers 25. steht: Jesus ist um meiner Übertretungen willen dahin gegeben. Er ist also für meine Sünde gestorben. Nicht für seine eigene Sünde. Aber Jesus ist um meiner Rechtfertigung willen auferweckt. Durch den Rechtfertigungsgutschrift hat mir der Herr Jesus die Beziehung zu Gott zurückgekauft. Die habe ich. Ganz sicher. Schon heute, aber auch in der Ewigkeit.

Gottes Gutschrift gibt mir Gewissheit: Ich werde in Ewigkeit bei Gott sein. Nicht weil ich so gut bin. Nein, ich bin dort, weil ich Gott geglaubt habe, dass er mich gerecht macht. Das hat Abraham geglaubt und das glaube ich auch. Mensch, freue dich über dein Heil! Weil ich von Gott gerechtfertigt bin, muss ich mich nicht mehr selbst rechtfertigen. Ich muss die Schuld nicht auf andere schieben. Ich kann ganz entspannt an den Himmel denken und muss innerlich nicht in Stress kommen, wenn ich wüsste: Heute ist mein letzter Tag als Gast auf dieser Erde. Morgen bin ich schon Richtung himmlische Heimat unterwegs. Weil ich Gottes Rechtfertigungsgutschrift in der Tasche habe, kann ich mich auch mit meiner Schuld beschäftigen, weil sie bei Gott keine ewige Konsequenz mehr hat, wenn ich zu ihm gehöre. Ich bekomme Gottes Gerechtigkeit geschenkt. Ich kann sie mir nicht erarbeiten. Das einzige was ich tun muss: Ich muss glauben: Gott macht mich gerecht. Aber genau das macht mich auch sicher: Es wird mir reichen, weil nicht ich den Preis bezahlen muss. Den Preis hat Jesus für mich bezahlt. Deshalb gibt Gottes Gutschrift mir die wichtigste Gewissheit, die ich haben muss: Mein Name steht auf der Liste der Menschen, die Gott gerettet hat. Ich werde meinen Namen hören, wenn er vorgelesen wird. Darauf freue ich mich.

Ich freue mich aber auch darüber, dass die Rechtfertigungsgutschrift auch noch andere Auswirkungen in meinem Alltagsleben hat. Eine davon ist:

Gottes Gutschrift entlastet mein Gewissen

Unsere Gewissen sind sehr verschieden. Die einen haben ein Gewissen wie eine Briefwaage, die anderen hatten bevor sie Christ wurden, ein Gewissen, wie eine Waage, auf der man das Leergewicht von Autos wiegt. Heute ist ihr Gewissen vielleicht eine Gepäckwaage am Flughafen.

Vor allem so ein Briefwaagen-Gewissen, kann mir ganz schön den Atem rauben. Ich mache mir immer wieder Gedanken: Bin ich schuldig geworden oder nicht? Und wie gehe ich mit meiner Schuld um?

Ich bin enttäuscht über mich selbst und denke: Der Herr Jesus schlägt den ganzen Tag entsetzt seine Hände vors Gesicht, wenn er mich im Alltag erlebt.Du denkst so über dich, weil du nicht verstanden hast, was diese Gutschrift in deiner Tasche bedeutet. Zunächst einmal ist es Luthers Verdienst, dass er darauf hingewiesen hat: Mein Gewissen ist nicht grundsätzlich Gottes Stimme. Das hatte man bis dahin nämlich geglaubt.

Luther sagt zu Recht: Mein Gewissen kann mich doch belügen – deshalb kann es nicht per se Gottes Stimme sein. Mein Gewissen kann mir mein Versagen so groß vor Augen malen, dass ich verzweifle. Aber Gott hat mich doch gerechtfertigt. Gott glaubt auch an meine Rechtfertigung.

Das Problem ist: Ich glaube meiner eigenen Rechtfertigung bei Gott nicht. Ich denke an meine Schulden, vergesse aber die Gutschrift in meiner Tasche, die alle Schulden ausgleicht. Luther war nicht nur Theologe, sondern auch Seelsorger. Er hat ca. 2800 persönliche seelsorgerliche Briefe geschrieben. Gerade auch an Christen, die Probleme hatten, mit ihrem Briefwaagen-Gewissen. Wie zum Beispiel die Frau eines Bürgermeisters, die in ihrem Zorn als Christin jemand anders verflucht hat. Ihr Gewissen hat ihr diese Sünde immer wieder vorgehalten.

In ihrer Not wendet sie sich an Luther. Der schreibt – ich lese einen Auszug: Darum tut also: Speiet den Teufel an und sprecht: Habe ich gesündigt, ei, so habe ich gesündigt, und es ist mir leid, Christus hat alle meine Sünde weggenommen der ganzen Welt, so sie dieselben bekennen; so ist gewiss diese meine Sünde auch weggenommen. Hebe dich Teufel, ich bin absolvieret, das bin ich schuldig zu glauben. (Luther meint damit: Ich bin gerechtfertigt) Und wie wollt ich tun, wenn ich Mord, Ehebruch, ja Christum selbst gekreuzigt hätte? Dennoch, wo mich’s reut und ich ́s erkenne, so ist`s vergeben, wie er am Kreuz spricht: Vater vergib ihnen! (Luther als Seelsorger, 74)

Luther macht mit dieser Antwort also deutlich: Lass dich von diesen Gedanken nicht belasten. Weise sie zurück, weil du die Rechtfertigungsgutschrift in der Tasche hast. Luther bagatellisiert die Sünde nicht. Er sagt aber der Frau, sie soll die Stimme ihres anklagenden Gewissens am Wort Gottes prüfen. Damit verweist der Reformator die Frau auf eine Autorität, die weit über ihrem Gewissen steht. Auch das Gewissen muss sich dem Wort Gottes unterordnen und sich vom Wort Gottes prägen lassen. Dieses Wort Gottes sagt mir: Ich bin gerechtfertigt durch Christus. Luther reißt also den Blick der Frau weg von ihrem anklagenden Gewissen hin zu Christus. Auf ihn soll sie schauen. Ihm soll sie die Sünde bekennen, dann aber auch glauben, dass ER sie vergibt. Weil die Frau die Rechtfertigungsgutschrift in ihrer Tasche hat, darf sie fröhlich weitergehen und muss nicht ständig zurückschauen. Mir gefällt die Aussage von Henning Luther: Der Mensch ist die Ruine seiner Vergangenheit und Baustelle seiner Zukunft. (Luther als Seelsorger, 47). Damit will Luther sagen: Als Mensch bleibe ich ein Mangelwesen.

Manchmal ist es notwendig, dass ich mich mit meiner Vergangenheit beschäftige. Wenn deine Vergangenheit dich verklagen will, dann bekenne Gott und den betroffenen Menschen, was dich bedrückt. Aber dann glaube an die Gutschrift in deiner Tasche und gehe fröhlich weiter, weil Gott dich gerechtfertigt hat. Lass dich von deinem Gewissen nicht ständig mit Fragen beschäftigen, mit denen Gott sich nicht mehr beschäftigt. Ein Brandenburger Pfarrer fragt: Kann ich es mit meinem Gewissen verantworten, wenn der Marktgraf von mir verlangt, dass ich zu meinem Gottesdienst ein liturgisches Gewand tragen muss, wie in der katholischen Kirche? Luther antwortet sinngemäß: Wenn du das Evangelium predigen darfst, dann sind solche Fragen doch egal. Zieh so ein Gewand an und wenn das nicht reicht, dann hänge dir meinetwegen noch ein Kreuz um und setze dir eine Chorkappe auf. Luther sagt weiter: Wenn der Papst mir erlauben würde, das Evangelium zu predigen und gleichzeitig von mir verlangte, mir eine Unterhose umzuhängen – ich wollt sie ihm zu Gefallen tragen. (Luther als Seelsorger, 84)

Aus diesen Worten kann ich lernen: Lass dich von deinem Gewissen nicht von den wesentlichen Dingen ablenken. Wenn Sünde in mein Leben eingedrungen ist, muss ich sie bekennen. Da ist das vom Wort Gottes bestimmte Gewissen sehr hilfreich. Aber da wenn es mich lähmen kann, ist das ein Indiz dafür: Mein Glaube an die Rechtfertigung hat aufgehört. Das darf nicht sein. Wenn ich bei Gewissensfragen nicht weiterkomme, sollte ich unbedingt das Gespräch mit einem anderen Christen suchen, damit wir gemeinsam darüber nachdenken: Sind diese Anklagen meines Gewissens überhaupt gerechtfertigt?

Wenn sie es nicht sind: Lese Rö4,23-24 – freue dich darüber, denke an deine Rechtfertigungsgutschrift und gehe weiter. So, wie wir auch weitergehen zu unserem letzten Punkt des zweiten Abschnittes:

Gottes Gutschrift macht mich wertvoll

Als Menschen sind wir oft dabei, unserem gesellschaftlichen Umfeld zu beweisen: Wir sind wertvoll. Dafür rackern wir uns ab. Kriechen schweißgebadet die Karriereleiter nach oben, kaufen Douglas leer, um unsere Schönheit solange wie möglich zu konservieren, und sind immer beim neusten Trend dabei, nur damit die Anderen mich bewundern und sagen: Mensch, du bist toll. Der Spruch stimmt schon: Wir kaufen Dinge, die wir nicht brauchen, von Geld, das wir nicht haben, um Menschen zu beeindrucken, die wir machmal sogar nicht mögen. Eben nur, damit sie uns sagen: Du bist wertvoll.

Das kann ziemlich anstrengend sein. Das ist so in uns drin – wir möchten doch jemand sein. Auch als Christen möchten wir gerne einen Orden des verdienten Aktivisten bekommen. Nicht genug, dass wir ständig auf der Suche nach der Anerkennung der anderen sind. Wir wollen uns auch selbst beweisen, dass wir wertvoll sind. Wir wollen Leistung bringen.

Deshalb sind wir Leistungssport-Christen. (Stille Zeit am Morgen – Regelmäßig GBS, fast immer Gottesdienst, Mitarbeit im Kinderdienst – Aushilfe beim Sonntagskaffee, Raumpflegedienst in der Woche – Gott muss mit mir dem Leistungschristen zufrieden sein) Ich weiß, es ist gefährlich, was ich jetzt sage. Denn alle diese Dinge sind ja gut. Vielleicht nehmen manche von euch meine Worte als Argument, um mehr für sich selbst zu leben und sich noch weniger für Jesus einzusetzen. Aber das müsst ihr dann vor dem Herrn Jesus verantworten und nicht ich. Aber wenn du zur Riege der Leistungssport-Christen gehörst, ist es wichtig: Denke mal wieder über deinen Rechtfertigungsgutschrift nach. Dein Wert besteht nicht in dem, was du leistet. Rechtfertigung heißt: Du bekommst von Gott selbst deinen Wert zugesprochen, unabhängig davon, wieviel du leisten kannst. Mensch, ich bin nicht wertvoll, weil ich leiste, bis mir die Puste ausgeht und ich im Burnout lande.

Paulus formuliert es so treffend in Phil3,7-9:

Alles was mir Gewinn war habe ich um Christi willen für Verlust geachtet – ich halte es alles für Verlust um der unübertrefflichen Größe der Erkenntnis Christi Jesu meines Herrn willen, um dessentwillen ich alles eingebüßt habe und es für Dreck halte, damit ich Christus gewinne – damit ich nicht meine Gerechtigkeit habe, sondern die Gerechtigkeit durch den Glauben an Christus.

Der Mann hat verstanden: Weil ich die Gerechtigkeitsgutschrift des Herrn Jesus habe, kann ich alles, mit dem ich vorher versucht habe, mir Anerkennung von anderen zu erbetteln, in die Tonne treten. Die Beziehung zu Jesus ist so viel mehr wert, als auf die Pfeife meines Leistungsdenken zu hören. Auch hier führt Paulus mich aus meinem falschen Denken heraus zum Herrn Jesus. Dann muss ich nicht mehr von dem leben, was ich leiste und was andere über mich denken. Dann lebe ich nicht mehr nach dem Credo: Du bist, was du aus dir machst. Dann weiß ich: Rechtfertigung gibt mir einen Wert in Gottes Augen, den ich nicht mehr verlieren kann – und damit habe ich auch einen Wert in meinen Augen. Ich muss nicht mehr aus den eigenen Ressourcen leben.

Es stimmt, was Rolf Sons sagt: Wo die Rechtfertigung auf die menschliche Seele trifft, die eingezwängt ist, zwischen der Last sich beweisen zu müssen, und der Angst zu versagen, werden Menschen frei (Luther als Seelsorger, 47). Nehmen wir also mit: Wir als Menschen können uns vor Gott genau so wenig rechtfertigen wie der kleine Max vor dem Ladenbesitzer. Aber so, wie jemand anders für den Max bezahlt hat, so haben auch wir eine Gutschrift von Gott bekommen auf der steht: Ich habe deine Schuld gelöscht, du bist gerecht.

Nun bin ich herausgefordert: Glaube an Gottes Gutschrift und lebe mit Gottes Gutschrift. Glaube, dass Gottes Rechtfertigung dich in den Himmel bringt, wenn du deine Sünde zu Jesus im Gebet bringst. Lebe aber auch mit dieser Gutschrift jeden Tag, weil sie dir Gewissheit gibt, dein Gewissen entlastet und dich wertvoll macht in Gottes Augen und damit hoffentlich auch in deinen eigenen Augen.